Moon Machine, Landing

Kunsthalle Münster, Kampnagel Hamburg, Ars Electronica Linz, 

Mouseonturm Frankfurt M / 2020 - 2022

Ausgehend von den Werken Moondogs haben der Komponist Thies Mynther und der Theatermacher Veit Sprenger in Zusammenarbeit mit dem bildenden Künstler Tobias Euler eine interventionistische Musikmaschine geschaffen. Die Moon Machine ist eine mobile Musikinsel, eine Bricolage mit pneumatischen Instrumenten und mechatronischen Klangautomaten, Sonnenschirmen, Signal- hörnern und akustischen Kollisionswarngeräten, die von den beiden Performern Mynther und Sprenger bespielt wird.

© Hubertus Huvermann, Kunsthalle Münster

Die akustische Plastik wurde 2019 bei dem internationalen Festival FLURSTÜCKE 019 in Münster erstmals von den Künstlern in Betrieb genommen. Im Rahmen der Ausstellung in der Kunst- halle Münster setzt das Trio bestehend aus Euler, Mynther und Sprenger das interdisziplinäre Projekt, das sich an der Schnittstelle von Musik, Theater und bildender Kunst bewegt, fort. Die Kunsthalle verwandelt sich in eine Bühne, die Ausstellung in ein synästhetisches Spektakel. Während der Laufzeit der Ausstellung wächst die Moon Machine zur Installation heran, wirft Tentakel von sich und verbindet sich mit den Räumlichkeiten der Kunsthalle. Die Instrumente können genau betrachtet werden und stehen als Objekte im Vordergrund. In der Abwesenheit der beiden Performer wird die Maschine selbst zur Akteurin. Immer wieder ertönen aus der Maschine einige Sequenzen, die von den Künstlern erarbeitet wurden. Wie ein Ensemble interagieren die einzelnen Objekte miteinander. In der vielschichtigen Verbindung von Skulptur und Klang eröffnet die akustische Plastik neue Rezeptionsräume.

© Peter Hönnemann, Kampnagel, Ars Elctronica, Mousonturm 

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FAZ - 13.03.2020, Ein Kommentar von Patrick Bahners 


Was Odins Raben von den Dächern Münsters zwitschern, kommt in der Ausstellung zu Ehren des Musikers Moondog nicht zur Sprache: Der blinde Wikinger glaubte an ein Ethos des ethnischen Wurzelgräberei. 


Wie gern hätte er zu den Zeiten der alten Wikinger gelebt! Wie sie auf schwankendem Kahn das weite wilde Meer durchfuhren, so trotzte Louis Hardin mit gehörntem Helm, wallendem Bart, Speer und Umhang den Elementen in den Straßenschluchten von New York. Zur Orientierung hatte er noch nicht einmal die Sonne und die Sterne, denn mit sechzehn Jahren hatte er das Augenlicht verloren. Sein Künstlername wies ihn als heulenden Trabanten des Erdtrabanten aus.

„Moondog“: Unter dieser Überschrift erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. November 1969 eine Glosse von Sabina Lietzmann. Seit einem Vierteljahrhundert stand Moondog damals schon an der Ecke von Sixth Avenue und 54. Straße. Und machte Musik, wenn er nicht bebrillten Naturhistorikern den Weg zum American Museum of Natural History erklärte. Als Sabina Lietzmann ihn vorstellte, hatte ihn gerade eine große Plattenfirma unter Vertrag genommen. Unsere Korrespondentin sagte voraus: „Über kurz oder lang wird auch Moondog aus dem Straßenbild verschwinden wie so viele andere Wahrzeichen dieser wandelbaren Stadt.“


















So kam es. Der Comiczeichner Simon Schwartz hat die Geschichte auf einem Blatt seiner Serie „Vita obscura“ erzählt. Eines Tages war Moondog verschwunden – und 1974 tauchte er in der Fußgängerzone von Recklinghausen wieder auf. Er gab Konzerte in Frankfurt, Hannover und Münster, wo er 1999 starb und begraben ist. In der Kunsthalle im Hafenviertel von Münster haben Tobias Euler, Thies Mynther und Veit Sprenger jetzt eine „Moon Machine“ installiert, ein verdrahtetes Ensemble aus Tröten, Trommeln, Triangeln und anderen Weltmusikinstrumenten. Das Kein-Mann-Orchester spielt Tafelmusik für Walhall, von Geisterhand dirigiert oder vom Wechsel der Mondphasen. Ein Heide kehrt heim

In Vitrinen liegen Zeitungsartikel, die Moondogs deutsche Jahre dokumentieren. Als Nikolaus sollen ihn aufgeweckte Kinder in mehreren Städten apostrophiert haben. Aber das weißbärtige Wesen sollte nicht der Weihnachtsmann sein, ganz im Gegenteil: Dem christlichen Glauben hatte Moondog nach seiner Erblindung abgeschworen. Er bezeichnete Deutschland als seine spirituelle Heimat, interessierte sich aber nach eigenem Bekunden nur für das, „was vor den Christen hier in Deutschland passiert ist“.

Eine seltsame Stille umgibt in Ausstellung und Begleitpublikation die politische Dimension von Moondogs Interesse am Germanentum, obwohl sie so deutlich und simpel ist wie die auf dem Kanon, der Wiederholung, beruhende Machart seiner Musik. Die „Rhein-Neckar-Zeitung“ berichtete 1974: „Ethnische Werte sind für Moondog von Bedeutung. Und deshalb sollte jede ethnische Gruppe bewahrt werden, denn ,Menschen ohne Ethik gehen zugrunde‘. Seine Musik und seine Gedichte sollen den Menschen diese Einsichten näher bringen.“ Einsichten, für die damals der Begriff des Ethnopluralismus aufkam.

An die Deutschen richtete Moondog die Bitte: „Kümmert euch um eure Roots, eure Wurzeln!“ Während die Ausstellungs-macher ihrem Helden die Bitte nicht erfüllen, vernimmt man so etwas wie den Nachhall dieser Töne an jeder Straßenecke.

https://ars.electronica.art/keplersgardens/en/moon-machine/

© Peter Hönnemann, Kampnagel

TAZ vom 23.8.2020, Jan Paersch

Durch Hamburg mit dem Mondmobil

Zum Kampnagel-Festival fuhren Thies Mynther, Veit Sprenger und Tobias Euler durch Hamburger Kieze. Ihre „Moon Machine“ ist eine Hommage.


Da steht es, unter den Bäumen der Moorweide, in Wurfweite des Hamburger Dammtorbahnhofs. Ein seltsames Gefährt auf vier Rädern, ein überdimensionierter Leierkasten, mit Anleihen an persische Sänften und jamaikanische Soundsystems.

Darauf zwei Männern in langen schwarzen Roben, die an die minimalistische Kluft der Bauhaus-Künstler erinnert. Beide bedienen Keyboards und Laptops. Der mit dem kahlen Schädel loopt ein sanftes Fender-Rhodes-Motiv, der mit dem Pferdeschwanz singt lautmalerisch die Melodie des „Bird’s Lament“ dazu.

Eine unglaubliche Komposition im Stile einer barocken Chaconne, im Original kaum zwei Minuten lang: unruhige Perkussion, Bläser und Streicher, die sich hymnisch umtänzeln, ein süchtig machendes Thema. Vor mehr als 50 Jahren schrieb es der US-Amerikaner Louis Thomas Hardin. Hardin war jahrzehntelang ein Straßenmusiker, der seine Instrumente selbst baute und Stücke schuf, die selbst Leonard Bernstein zum Staunen brachten.

Als Moondog wurde er weit über die Straßen Manhattans hinaus bekannt, ehe er Anfang der siebziger Jahre von dort verschwand. Und ausgerechnet in Westdeutschland wieder auftauchte. Auf einmal stand der blinde Musiker in den Fußgängerzonen von Hannover und Recklinghausen. Und hier: auf einer Wiese am Hamburger Dammtor.

Mit Rauschebart, gehörntem Helm und Speer

Da, wo einst der zwei Meter große Moondog stand, mit Rauschebart, Lederumhang, gehörntem Helm und einem Speer in der Hand, parkt nun die „Moon Machine“. Die „interventionistische Musikmaschine“ ziert Hörner links und rechts und am Heck neben dem Speaker eine von Moondog-Porträts eingerahmte Sanduhr; überall hängen Instrumente. Bunte Sonnenschirme schützen die Performer notdürftig vor dem langsam einsetzenden Regen.

Der Zug setzt sich in Bewegung. „No love, no hate, just parade“, ruft Thies Mynther, der Mann mit dem kahlen Schädel, ins Mikrofon. Die „Moon Machine“ hat der Komponist gemeinsam mit dem Theatermacher Veit Sprenger und dem bildenden Künstler Tobias Euler entwickelt. Während Mynther und Sprenger musizieren, muss Euler, in Shorts und Basecap, das Gefährt wie einen Bollerwagen ziehen. Der Dieselgenerator reicht gerade mal aus, um die Technik mit Strom zu versorgen.

Ziel der Parade: das Außengelände einer ehemaligen Maschinenfabrik in Hamburg-Winterhude. Die Kulturfabrik Kampnagel zollt bei ihrem diesjährigen Sommerfestival dem vor 21 Jahren verstorbenen Moondog Tribut.

Mynther ist auf Kampnagel schon mit Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow aufgetreten. Er hat mit Die Sterne, Bernd Begemann, Superpunk und Tellavision performt – also eigentlich mit allen Hamburger Rockbands von Bedeutung. Kurz vor der Parade schwärmt Mynther von den humorvollen Texten und den Kompositionstechniken Moondogs.

Eine „Kunstgebung“ für den Mondhund

„Er ist ja auch wegen Bach nach Deutschland gekommen. Dessen Kunst der Fuge hat ihn genauso beeinflusst wie die Rhythmen der Blackfoot-Ureinwohner, die er als Kind erlebte.“

Die Parade überquert den Mittelweg und erreicht die Außenalster. „Wortspiele mit Kunst sind ja eigentlich verboten. Aber was wir hier machen, ist eine Kunstgebung“, erklärt Veit Sprengler. Der Zug ist ordentlich als Demonstration angemeldet, die 50-Teilnehmer-Grenze wird knapp unterschritten. Das Blaulicht vorweg lenkt die Aufmerksamkeit auf den bunten Holzwagen. „Dies ist kein Batmobil, dies ist die Moon Machine!“, skandiert Sprengler.

Eine Gruppe Abiturienten mit Bierkästen und Polohemden wartet mit offenen Mündern darauf, die Straße überqueren zu können. Kurz vor der Krugkoppelbrücke: Tankstopp, der Generator wird befüllt. Es geht an Villen vorbei, die Moondog auch mit hunderttausend Jahren Straßenmusik nicht hätte bezahlen können. Während sie performen, rührt Sprengler für sich und Mynther einen Matcha-Tee an.

Die Moon Machine ist im „Avant-Garden“ von Kampnagel angekommen. Nach kurzer Pause beginnt ein weiteres Set. „Er hat selbst Instrumente erfunden, also wollten wir das auch“, sagt Mynther über den stets mit einer selbst gebauten Trimba-Trommel bewaffneten Moondog. Die zwei Miniklaviere am Bug der Moon Machine werden bespielt, der Klang ist nun Dub-artig.

Die automatisierten Shaker shaken, die mechanische Flöte flötet. Der Nieselregen tropft unaufhörlich, die Plastikstühle sind fest im Boden verankert und der Sound ist zu leise. Mynther und Sprengler singen ein wenig schief. Aber der Gin Tonic beginnt zu wirken, die Lichterketten funkeln, die Musiker remixen „Bird’s Lament“ und alles ist gut.

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Moon Machine, Landing, Kunsthalle Münster 2020 - Part 1

Moon Machine, Landing, Kunsthalle Münster 2020 - Part 2

Moon Machine, Landing, Kunsthalle Münster 2020 - Part 3

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